Don´t Panic It´s Organic

Lizza May David (DE/PH), Stefan Glettler (AT), Marianne Lang (AT), Yuko Mohri (JP), Marie Neugebauer (AT), Bettina Paschke (AT), Karin Pliem (AT), RESANITA (AT), Frenzi Rigling (CH), Andrea Schlemmer (AT), Jeanne Silverthorne (US), Lois Weinberger (AT).

Sind diese ganzen Bäume notwendig?“ sage ich zu ihm. Wir sind von Grün umzingelt. So viel Grün.“ In Lily Bretts Kurzgeschichte bereut eine eingefleischte New Yorkerin schon ihren Entschluss, ein Wochenende im Grünen zu verbringen. Die Ausstellung Don´t Panic It´s Organic untersucht das zwiespältige Verhältnis des Menschen zur Natur, geprägt von Erhabenheit, Unterwerfung und Bedrohung. In den Räumen der Galerie Zimmermann Kratochwill wird die erste Natur als domestizierte Dingwelt in den „White Cube“ zurückgeholt. Das wilde Tier springt metaphorisch und als Sinnbild der bedrohten Natur in den Ausstellungsraum und macht die Kunstlandschaft zum Revier. Die Arbeiten zeigen gegenwärtige künstlerische Positionen zu den Formen der Bedrohung, als auch deren Überwindung, indem das vormals Wilde – mit oft humorvollen Komponenten – ästhetisiert und damit distanziert wird.Margareth Otti

ARTISTS 
Yuko Mohri (JP)
„My concept for my art-making is to search a new relationship between artifact  and  nature.
Artifact  and nature is not only the opposite schema. (…) My work is the environment itself that I discover through the procedure. Each exhibition space produces its own unique ecosystem, and one work would look differently depending on where it is installed. It could be said that it is an old, and at the same time new way of relationship between nature and un-nature that derived from errors, chances, and piles of degradation over time.” Yuko Mohri
Yuko Mohri (b. 1980, Kanagawa, Japan) produces installations that convey intangible energies such as magnetism, gravity, light, and temperature, by creating assemblages of reconfigured everyday items and machine parts collected in cities around the world. Mohri has been named among the 2016 40 Under 40 Asia Pacific by Apollo Magazine, as well as on of “5 Essential Japanese Artists” by Blouin Artinfo. She is the recipient of the Nissan Art Award 2015 and was selected as a grantee of Asian Cultural Council 2014. Her recent major exhibitions include “Circus without Circus” (Project Fulfill Art Space, Taipei, 2016), “Pleated Image” (waitingroom, Tokyo, 2016), “Roppongi Crossing 2016” (Mori Art Museum, Tokyo), “Regeneration Movement” (National Taiwan Museum of Fine Arts, Taichung, 2016), “Unseen Existence” (Hong Kong Arts Centre, 2014), and “Yokohama Triennale 2014” (Yokohama Museum of Art, 2014). Mohri’s upcoming exhibitions include “Kochi-Muziris Biennale 2016” (Kochi, India), White Rainbow (London) and “MOT Satellite” (Museum of Contemporary Art Tokyo). Mohri has held artist residencies at the Lower Manhattan Cultural Council, Victoria & Albert Museum, and Camden Arts Centre, London. She lives and works in Tokyo, Japan.
  
Lizza May David (D/PH)
Lizza May David untersucht in ihren Arbeiten ihren biografischen Hintergrund und Fragen der Identität, Arbeit, Migration, Erinnerung; sowie die Neueinordnung der philippinischen modernen Kunst. Forschend betrachtet sie Natur und sieht Malerei auch als Reflexion ihrer künstlerischen Position. Sie versteht die Leinwand ebenso als Resonanzraum für soziale Belange; gegenwärtig hinterfragt ihre gestische Malerei das Verständnis von Natur in sozialen und sprachlichen Konstruktionen, als auch deren Mehrwert und Bedrohung.
  
Marianne Lang (AT)
Marianne Lang setzt sich mit dem Phänomen Raum auseinander. Sie bearbeitet das Thema mittels Zeichnung, Installation und Video und sucht ihre Motive vorwiegend in ihrer privaten künstlerischen Umgebung. Im Fokus stehen dabei fiktive, virtuelle Raumstrukturen, die mit den Wahrnehmungsgewohnheiten des Betrachters spielen, und sich von einer klassischen architektonischen Herangehensweise deutlich unterscheiden. Ganz ungezwungen überlappen und durchdringen einander die einzelnen Ebenen und Elemente, verschachteln sich zu paradoxen Raumsituationen und strafen die gewohnte Betrachtungsweise Lügen. Aussen- und Innenwände, Vorder- und Hintergründe, Fassade und Bausubstanz, Flächen und Konturen aller Art springen hin und her zwischen linearer Abstraktion und akribisch ausgeführter Struktur. Bewusst aus dem Zusammenhang gerissene Stilelemente und Objektzitate werden in neue Kontexte transplantiert und führen Form und Funktion ad absurdum. Dem Blick des Besuchers erschließt sich eine konzeptuelle Raumchoreographie, die ihrer eigenen Logik zu folgen scheint. In Marianne Langs Arbeiten manifestiert sich nämlich die Wirklichkeit als Modell, und vice versa präsentiert das Modell sich als Realität. Nach Orientierung suchend wird der Ausstellungsbesucher mit dem Fehler im System allein gelassen und gerät in ein Verwirrspiel zwischen Täuschung und Einbildung. Erst bei genauer Betrachtung erschließt sich die Künstlichkeit der Inszenierung, und man entlarvt die eigene oberflächliche Betrachtungsweise, der man auf den Leim gegangen ist.
  
Marie Neugebauer (AT)
Marie Neugebauer lassen mediale Nebelkerzen unbeeindruckt. Ihre Zeichnungen muten zunächst wissenschaftlich an, machen aber deutlich, dass der Mensch das Organische mit so schwachen Waffen wie Makeup oder lauten Worten bezwingen kann. Franziska Schwarz, Berlin
  
Bettina Paschke (AT)
Bettina Paschke führt ihre Linie spazieren. Bei den kleinformatigen Zeichnungen, wie die ihrer Serie „rapid lines“ steht ihre diffizile Arbeitsweise unter dem Motto ‚der Weg ist das Ziel’. Auch wenn die abstrakten Resultate mit ihrer charmant luftigleichten, tänzerisch schwerelosen Nonchalance bezaubern: der dahinter stehende Zeichenprozess bedarf disziplinierter Präzision. Er setzt höchste Konzentration und Durchhaltevermögen voraus und geht mit meditativer Selbstversenkung einher. Eine ruhige Hand ist von Nöten, Zittern verboten. Es gilt, den Kopf freizumachen, loszulassen und sich ganz in eine Art selbstvergessener Zeichenübung zu versenken. Elfi Kreis, Berlin, 2015
  
Karin Pliem (AT)
Karin Pliem: Konvolutionen
Karin Pliem zeigt uns eine Natur, die es von Natur aus nicht gibt: auf ihren Leinwänden treffen verschiedenartige Lebewesen aus unterschiedlichen Ökosystemen und Weltregionen zusammen, auf- und verblühende Gewächse aus Tropenwäldern und Alpentälern mit transgenen Pflanzen, mit Meeres- und Süßwassertieren oder auch mit im Malprozess neu geschaffenen Blüten-Hybriden. Alles floriert, fließt, morpht und expandiert in Karin Pliems Kunst-Biotopen, entfaltet sich zu intensivem Farb- und Formenreichtum, konkurriert und kommuniziert gegen- und miteinander simultan auf mehreren Raumschichten.
Diese Natur, die es von Natur aus nicht gibt, gibt es als Versinnbildlichung der „Sprache der Natur“ allerdings ebenso wie sie realiter in Verbindung mit menschlicher Zivilisation und Technik existiert: Kreuzungs- und Gentechniken lassen neue Arten, Hybride und Klone von Lebewesen entstehen, das globale Transportwesen befördert die Invasion biotischer Natur in neue Lebensräume, andere Arten sterben aus … . Wenn die Künstlerin in ihre Bildtitel gleichsam beiläufig Namen wie papavero (Mohn), pueraria montana (Kudzu) oder dionaea (Venusfliegenfalle) einbaut und diese Pflanzen mehr oder weniger verfremdet irgendwo im Bild auf- oder untertauchen lässt, fungieren sie stets auch als Codes für den zivilisatorischen Ge- oder Missbrauch von Natur.
In erster Linie aber artikuliert Karin Pliem in ihrer Malerei die Diversität des Lebendigen und den damit verbundenen Pluralismus an Erscheinungs- und Ausdrucksformen, hinter denen sie eine ihnen allen gemeine Syntax ortet: „Selbst die heterogensten Dinge der Welt haben einen gemeinsamen Nenner, einen ursächlichen Zusammenhang.“ Auf dieser, von der Künstlerin während ihren Erkundungen der Welt und der künstlerischen Arbeit gewonnenen Sicht ist auch der Titel ihrer jüngsten Werkserie begründet: Konvolutionen sind Zusammenkünfte von Dingen oder Phänomenen, die nicht unbedingt kategorisch zusammengehören, die aber durch Bündelung, Faltung oder ein Ineinanderverwinden in einen Zusammenhang gebracht werden.
So findet hier die „Sprache der Natur“ zu einer Neuformulierung durch eine „Sprache der Kunst“, der es nicht allein um die Natur geht, sondern stets auch ums Bild, um die Koinzidenz seiner Teile im Verhältnis zum Gesamten. Der Mensch, so er sich schon nicht als Teil der Natur zu begreifen mag, wird von der Künstlerin eingeladen, in ihre Konvolutionen mit all ihren Entfaltungsmöglichkeiten einzusteigen.
Lucas Gehrmann, 2014 
Frenzi Rigling (CH)
„Grundsätzlich arbeite ich gerne mit Materialien, die viele Leute unserer Kultur ansprechen und so in ihnen Erinnerungen wecken. Materialen, zu welchen viele Menschen eine emotionale Beziehung haben oder die sie emotional betroffen machen, aus welchen Gründen auch immer, zB das Sammeln von Muscheln oder das Pressen von Pflanzen. Diese Tätigkeiten haben etwas sehr Berührendes, oder wenn nicht, so wecken sie in sehr vielen von uns Erinnerungen an frühere Zeiten, an bestimmte Menschen.“ Frenzi Rigling 
Andrea Schlemmer (AT)
Andrea Schlemmer arbeitet mit Visualisierungen von Materialität, Beziehungen und Funktionen des menschlichen Körpers in seinem privaten, sozialen und politischen Kontext. Sie setzt am Körper als Mikrokoebene an, verhandelt den Menschen im sozialen Gefüge und thematisiert seine Funktion als politisches Subjekt/Objekt. Fragen nach Verletzbarkeit, Determiniertheit und Selbstbestimmung sind ebenso Themen der Auseinandersetzung wie die Auslotung von Grenzen und die Möglichkeiten der Transformation von Machtmechanismen. 
Lois Weinberger (AT)
Lois Weinberger arbeitet an einem poetisch-politischen Netzwerk, welches den Blick auf Randzonen lenkt und Hierarchien unterschiedlicher Art in Frage stellt. Er versteht sich als Feldarbeiter und beginnt in den 1970er Jahren mit ethnopoetischen Arbeiten, welche die Basis bilden für die seit Jahrzehnten entwickelte künstlerische Auseinandersetzung mit dem Natur-und Zivilisationsraum. Ruderal-Pflanzen – „Unkraut“ – die alle Bereiche unseres Lebens tangieren, sind Ausgangs-und Orientierungspunkt für Notizen, Zeichnungen, Fotos, Objekte, Texte, Filme und Arbeiten im öffentlichen Raum. 1991-92 entwirft Weinberger den WILD CUBE – eine Torstahl-Einfriedung, in der die Aufforstung durch Spontanvegetation erfolgt, ohne menschliches Zutun – RUDERAL SOCIETY – eine Lücke im urbanen Raum. Gleichzeitig beginnt Weinberger mit den subversiven Pflanzentransfers in angeeigneten Gebieten der Stadt wie im Landschaftsraum. 1993 entsteht die Arbeit „BRENNEN und GEHEN“, Weinberger reißt im Sommer während der Festspielzeit am Platz vor der Szene Salzburg, den Asphalt auf und überläßt dieses 8 x 8 Meter große, eingefriedete Gebiet sich selbst. 1997 wird diese Arbeit zur documenta X auf dem Parkplatz des Kulturbahnhofs und 1998 in Tokio erneut installiert. Ebenfalls zur documenta X bepflanzt Weinberger ein stillgelegtes Bahngleis von 100 Metern mit Neophyten aus Süd-und Südosteuropa, das zur international beachteten Metapher für die Migrationsprozesse unserer Zeit wurde und mit seinen poetisch-politischen Bezügen weit darüber hinausweist. Seit 2015 wird die Arbeit restauriert und wird als Kunstwerk in Kassel verbleiben.
2009 wurde Lois Weinberger in den Österreichischen Pavillon der Biennale Venedig eingeladen.
Er hat mit seiner Arbeit die neue Debatte zu Kunst und Natur von den frühen 1990er-Jahren bis heute maßgeblich mitbestimmt.

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