Valentin Oman

VALENTIN OMAN
09.06.–03.07.2021
Eröffnung | 09.06.2021, 17 Uhr
Der Künstler ist anwesend!

Der Mensch im Menschen
Gedanken zu Valentin Oman

So vieles ist über Valentin Oman bereits gesagt und verschriftlicht worden, besonders viel auf Slowenisch und auf Deutsch, seinen beiden Muttersprachen. Er hat überall ausgestellt – lange Zeit in Kärnten, ob seiner politischen, menschlichen Haltung nicht – wird überall gesammelt, hat vieles ausprobiert und landete längst auf einem anerkannten Platz am Kunstfirmament. Was könnte man alledem hinzufügen? 

Valentin Oman ist wohl nicht gerade jemand, der unnötig hinzufügen würde. Eher lässt er noch etwas aus, deutet lieber an, als eindeutig zu übertreiben. Er fügte bereits vielen öffentlichen Plätzen Kunstwerke hinzu – immer wirkt es jedoch so, als hätte er sie direkt vor Ort ausgegraben, gefunden und nur einfach richtig gesehen und platziert. Seine menschlichen Silhouetten scheinen eben nicht genuin aus ihm herauszukommen. Sie sind keine Fremdkörper, die er in die Welt setzt, vielmehr sind es womöglich unzählige menschliche Figuren, die bereits durch seine Hände und Gedanken gewandert sind und durch ihn hindurch passieren. Vielleicht waren sie alle schon einmal vor Ort und werden nur durch ihn sicht- und spürbar? 

Schlicht Homo sapiens heißt eines der ausgestellten Werke und zeigt einen ”verstehenden, klugen und weisen Menschen”, wie die unwissenschaftliche Übersetzung unserer Spezies heißt, in dreifacher Ausfertigung. Rührend stehen da drei Figuren. Wir wissen nicht, was sie umtreibt, wohin sie blicken, was sie sich zuflüstern. Jedoch merken wir, dass es ohne die anderen Menschen eben keine Menschen gäbe. Valentin Omans lebenslange Hinwendung zum Körperlichen und damit zum intimst Menschlichen ist die eine Seite. Gleichzeitig schwingt in dieser Intimität beständig etwas Abweisendes, Rohes, gar Brutales mit. Er malt, reißt, gießt, schmiegt, kratzt oder zeichnet ein Kaleidoskop des Menschlichen. Und das ist eben mehr, als wir ahnen möchten. Ein Virus weist den Menschen seit einiger Zeit in seine nicht mehr erahnten Schranken. Seine Auswirkungen sind nicht überall für alle gleich, jedoch wirft er insgesamt doch ein eigenartiges Bild des Menschen an die Wand. Klein werden sie in ihren winzigen zoom-Kästchen und verschmelzen in einem unendlichen Mosaik aus Lebensrealitäten. Valentin Omans Figuren wirken wie ausgekratzt aus der Farbfülle, die sie umgeben. Sind sie rein gewaschen, abgeschabt, unschuldig – sauber?

Dann stellen sie uns natürlich die Frage nach dem, was eigentlich übrig bleibt – sind es Menschen, oder nur Portraits ihrer Hinterlassenschaften … Schatten, Abgüsse, Umrisse? Ist es das Innere oder die Hülle, die wir versuchen zu begreifen? Damit kreisen wir in medias res, denn wer sind wir überhaupt? Für so manche sitzt separat in uns etwas Semi-Transzendentes, Geistiges, Höheres. Für andere sind wir Knochen, Gewebe, Muskelfasern und relativ viel Wasser. Vielleicht bestehen wir am Ende gar nur aus Viren. Sein Leitmotiv „Ecce homo”, „Siehe, der Mensch”, sieht natürlich nicht nur das Göttliche im Menschen oder umgekehrt, sondern auch den Menschen im Menschen. Zu erkennen, dass wir auch nur Menschen sind, allenfalls Prothesengötter, und dass wir gleichzeitig Delphine aus den Kanälen Venedigs vertreiben, wie wir sie auch wieder dorthin zurückbringen können und überhaupt photoshoppen, dass es dort jemals Delphine gab, das sind eigenartige Erkenntnisse der jüngsten Zeit. Das jüngste Gericht wird so bald nicht kommen, wir müssen es wohl selbst erledigen. 

Sic transit gloria mundi, ein weiterer Zyklustitel Valentin Omans meint „so vergeht der Ruhm der Welt”. Den ursprünglich während der Papstkrönung benützten Ausspruch, um an die Sterblichkeit des Würdenträgers zu erinnern, dürfen wir heute ruhig auf den einfacheren Menschen anwenden. Auch der Ruhm der Menschen geht dahin. Wir sind nicht nur sterblich, sondern todesmutig und bei weitem zerstörerischer, als wir selbst aushalten würden. Der Ruhm der Welt war so lange ruhmvoll, bis der Mensch jeden unbekannten Flecken aufspürte und missbrauchte. Eine blutige, zerfurchte Landschaft zeigt uns der Künstler. Sie wirkt organisch, lebendig, gleichzeitig geschunden und missbraucht.

Gibt es da noch Hoffnung? Valentin Oman scheint mit jedem Kratzer auf der Leinwand, mit jeder abgeschabten Farbhaut, mit jeder hinzugefügten Narbe, alles mitzuerleben: Von der größten Körpertrauer, bis zur stärksten geistigen Hoffnung.

– Markus Waitschacher

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